Ist die Beziehung Schuld?

Es gibt Fälle von ROCD, in denen die Ängst und Gedanken direkt zu Beginn jeder Beziehung auftauchen. Da ist es natürlich schwieriger zu unterscheiden, ob man an der Beziehung in bestimmten Bereichen arbeiten sollte oder nicht.

Oftmals brechen die Symtome jedoch innerhalb einer gut funktionierenden Beziehung auf und werfen das bisherige Bild der eigenen Partnerschaft über Bord.

Plötzlich scheinen einen Kleinigkeiten völlig aus der Fassung zu bringen, die man vorher vielleicht nicht einmal bemerkt hat. Sie lösen eine innerliche Katastrophe aus und im Kopf es spielen sich immer wieder Gedanken ab wie: "Ja, das ist es. Daher kommen diese Gefühle und Ängste!"

Aber ich kann euch nur den Tipp geben: Fallt auf diesen kleinen Teufel in euren Köpfen nicht rein! Denn was heute noch als Lösung für euer Problem erscheint, ist morgen schon wieder vergessen und wird abgelöst durch einen neuen Gedanken, der die Beziehung zerstören will.

Man fokussiert sich teilweise tagelang auf diesen einen "Fehler" des anderen- aber die Ängste verlagern sich immer wieder neu. So kann es vorkommen, dass man sich am einen Tag über den Geruch des Partners sorgt, der einem plötzlich nicht mehr gefällt und am nächsten Tag ist es diese komische Art von Humor, die euch mit einem Mal extrem übel aufstößt (die euch wahrscheinlich zuvor nicht gestört hat oder die ihr sogar gemocht habt). Das Gedankenkarussell dreht sich immer weiter. Nur die Inhalte ändern sich.

Es empfiehlt sich also zunächst einmal nichts in der Beziehung und in der Partnerschaft ändern zu wollen bis therapeutisch klar ist, dass es sich um Zwangsgedanken handelt.

Solltet ihr nämlich sofort drauf los hacken, was das Zeug hält. wird sich euer Schamgefühl nur noch verstärken und Teile der eigentlich funktionierenden Beziehung können schnell zu Bruch gehen. Was ihr eurem Partner damit antut, wenn ihr ihn jeden Tag aufs Neue für immer wieder neue Dinge kritisiert, muss ich hiermit sicherlich nicht erwähnen.

Vielleicht glaubt ihr:" Aber wenn ich dieses oder jenes aus der Welt schaffe- wenn er nur dieses eine Ding ändert- dann geht es mir wieder gut!"
Aber dem ist nicht so. Das ist ein Fass ohne Boden. Es hört nicht auf. Denn es ist ein Zwang, der euch beherrscht.

Was also zu ändern ist, ist die Obsession an sich, nicht die Beziehung.

Und dies beginnt zu allererst mit der Einsicht, dass es eine Obession ist.
Hand auf´s Herz: Wie oft beschäftigt ihr euch mit dem jeweiligen Gedanken? Kommt euch die Zeit unverhältnismäßig vor? Mir ja.
Ich beschäftige mich mit meinen täglichen Zwangsgedanken in jeder Minute, in der ich nicht gerade abgelenkt bin. Nach dem Motto: Ach, da war ja noch was. Und da steht er dann, der kleine hässliche Kobold in meinem Kopf, winkt mir zu, lacht hämisch und ruft:" Ich bin noch daaaaaa! Glaub nicht, dass du mich jetzt los bist! Ich war nur pinkeln!"
Und es hat bei mir lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass sich dieses Problem in meinem Kopf immer nach einem bestimmten Muster verhält; dass ich jeden Tag neue Dinge habe, über die ich mich sorgen muss und die mich verängstigen. Was aber immer da ist- und was mir die eigentlichen Probleme bereitet- ist der zwanghafte Gedanke an sich. Dass ich den Gedanken nicht loslassen kann... bis der nächste kommt.

Wenn ihr euch also dessen bewusst werdet, könnt ihr schneller lernen, den Inhalt des auftretenden Zwangsgedanken aufzuschnappen, noch bevor er die nächste Katastrophe in eurem Kopf auslöst.
Ihr werdet ihn erkennen können und lernen, den Inhalt einfach nicht mehr ernst zu nehmen, indem ihr euch sagen könnt:"Ach, interessant, das ist also heute mein angebliches Beziehungsproblem."

Das ist eine schwierige Aufgabe, wie ich finde, denn der Gedanke kommt immer mit dem Nebengedanken einher:" Nein, ich bin kein Zwangsgedanke, ich bin die Realität!"
Meist merkt man erst ein paar Tage später. wie schwachsinnig der Inhalt dieses Gedanken war (weil ihr festgestellt habt, dass ihr euren Partner sehr wohl riechen könnt oder dass ihr sehr wohl gut miteinander harmoniert was den Humor angeht), wenn der eine von einem anderen abgelöst wird.

Wenn ihr euch hier wieder findet, dann beginnt die Arbeit an sich selbst also genau an der Stelle, wo die ganze Geschichte angefangen hat: Beim Zwang. Nicht beim Inhalt des Zwangs.

Nebenbei noch ein paar typische nette, tägliche Ideen des Kobolds in eurem Kopf, um euch aus der Reserve zu locken. Einige dieser Dinge habe ich selbst im Kopf gehabt, von allen aber zumindest von Betroffenen schon mehrmals gehört.

"Ich kann ihn nicht riechen, da heißt, wie passen nicht zusammen!"
(Vielleicht habt ihr soetwas mal in einer Zeitschrift gelesen und das triggert euch nun plötzlich)

"Er ist mir zu unmännlich"

"Er ist mir zu macho-mäßig"

"Ich möchte gerade kein Kind haben, das heißt, ich liebe ihn nicht mehr."

"Ich habe Angst zu heiraten, das bedeutet, ich liebe ihn nicht mehr" (Das habt ihr bestimmt in einem der 1000 Foren im Internet gelesen ;))

"Er ist nicht aufmerksam genug"

"Er sieht komisch aus"

"Er ist zu still!"

"Er redet zuviel"

"Oh mein Gott, ich finde seinen Kumpel gutaussehend. Das bedeutet, ich liebe ihn nicht mehr!"


Vergesst nebenbei auch nicht, dass Charakterzüge nur Charakterzüge sind. Sie sind weder gut noch schlecht. Was dem einen Menschen missfällt, spricht einen anderen Menschen vielleicht charakterlich an.

Nur eure momentane Bewertung (getriggert durch den Zwangsgedanken) lässt den Charakterzug des Partners als partout unhaltbar erscheinen. Es ist also unfair, den Partner dazu drängen zu wollen, sich zu ändern, nur weil eure temporäre Bewertung es gerade so möchte.


Kommentare

  1. Danke für deine Beiträge! Und für diese Seite. Ich hoffe dass sie vielen eine Unterstützung ist, gut tut und gedanklich auf den Boden bringt.

    Ist die Beziehung schuld?
    Ich habe erlebt, dass auf Grund der Panik und Angst durch diese Gedanken eine Fehlersuche meist erst richtig schlimm in Gang kommt. Warum sonst sollte man solche Gedanken haben? Aber dann beginnt der Fokus auf "Fehler" und das kann ja nichts gutes bringen. Ich finde immer wieder einen ähnlichen Punkt an meinem Partner. Im guten Zustand kann ich das einfach so akzeptieren. Niemand ist perfekt. In Relation zu den vielen schönen Seiten ist das nebensächlich....Deshalb kann man sich auch immer wieder fragen: wie relevant ist das denn für eine gute Beziehung? Wie viel hat dieser Gedanke mit dem.zu tun wie man sich eine gute Beziehung vorstellt? Mit gemeinsamen Werten, Zielen, Freude, ...? Was möchte ich mit meinem Partner erleben? Was kann ich teilen, was nicht?
    Vielleicht holt das manchmal zurück in eine gesunde Einstellung zu Partnerschaft und Erwartungen.
    Und vor allem: vergesst nie die Dinge, die ihr am anderen schätzt. Was euch gefällt! Was euch am Anfang so gefallen hat, was euch angesprochen hat. Denn diese Gedanken fokussieren ganz arg auf negatives... Das macht so viel kaputt.

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  2. Danke für den Blog! Sehr, sehr interessant! Leider bin ich auch in diesem Schlamassel und das nun mehr seit 1,5 Jahren. In der vorigen Beziehung habe ich auch aus Zwangsgedanken heraus Schluss machen müssen (nachdem ich betrogen wurde und etliche andere Sachen passierten...) Nun ist es so, dass ich immer häufiger am Punkt bin, wo mich alles stört, viel mehr sind es aber optische Dinge, sehr genau sogar ein besonderes Merkmal und ihre etwas breite Nase. Dabei ist sie an sich top. Ich verliere mich (in der Beziehung) und bin so kann ich sagen chronisch depressiv. Zuviel hat es gekostet, zu wenig Rast und viel zu viel Hast. Ich weiß gar nicht wie ich mein Leben nebenher so in den Griff kriege, da läuft alles drunter und drüber. Aber letztendlich bin ich noch mit ihr zusammen. Positive Dinge werden rarer, negative Gedanken haben mehr Gewicht und Strahlkraft: "Ach ja, sie ist einfach nicht attraktiv genug..." Dabei bin ich auch kein Supermodel und könnte eigentlich froh sein, dass ich überhaupt eine Freundin habe :D Manchmal wünschte ich, dass der Kopf einfach mal betäubt ist und ich einfach nur leben kann... Urlaub? Macht mir Angst genau wie andere Sachen in naher Zukunft.... man will weglaufen und bleibt, versucht zu akzeptieren, aber letztlich fragt man sich warum nur -Für was? Lerneffekt? Wo denn???

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    1. Hallo Gast,
      ja, Zukunftspläne machen einem Angst. Immerhin steckt man voller Unsicherheit bezüglich der Beziehung und der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit. Es tut mir sehr leid, von dir zu hören, dass du dich mittlerweile als chronisch depressiv einschätzen würdest und hoffe für dich, dass du dich bald wiederfindest. Es tut in der schweren Phasen immer gut, auch mal ein paar Tage für sich zu nehmen, in denen man kurz Luft holen kann. Und man sollte sich, so denke ich, nicht zu sehr unter Druck setzen. Erst dann kann eine Besserung in Kraft treten. Seit ich begann, netter zu mir zu sein, mir diese schreckliche Zeit einfach zuzugestehen, abzuwarten und meiner Genesung Zeit zu schenken, geht es stetig bergauf und schlechte Tage stecke ich mittlerweile sehr gut weg!

      Der Druck ist u.a. das, was uns in den Teufelskreis geführt hat und ihn loszulassen ist das, was uns wieder hinausführt. Dies ist auch der Lerneffekt, der sich im Endeffekt nicht nur auf die Beziehung beschränkt sondern vor allem auf sich selbst und das eigene Leben.

      Gute Besserung, lieber User!

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    2. Hey,

      vielen Dank für Deine lieben Worte! ;)

      Also ich kann es auch nur bestätigen:
      - Zeit und Raum für sich nehmen. Das fällt mir sehr schwer, und dann kommt die nächste Aufgabe und Verpflichtungen und diese habe ich während der Zeit mit meiner Partnerin links liegen lassen! (Lethargie, aber auch fehlendes Erwachsensein?!)
      - Netter zu sich sein. Fehler eingestehen, Den Alltag entschleunigen, auch wenn es meist so schwer fällt.

      Mir geht es momentan ganz okay so alleine in meiner Welt jedoch ist es seltsam, dass so durch diese Distanz zu meiner Freundin und meiner (dadurch) gewonnenen Freiheit ich sehr sensibel bin und merke wie sehr ich versuche diesen Platz hinter der Mauer vorerst nicht zu verlassen bis der Sturm vorbeigezogen ist. Kontakt zu meiner Freundin ist dann wieder so ein Stressfaktor und da spielt dann eher das MUSS und SCHLECHTES GEWISSEN eine Rolle. Und da fängt es auch fast schon wieder an: Zwang? Unfreiwillig? Ja dann ist es doch alles aber keine Liebe.... aber so einfach ist das ja nicht :(

      Ich wünsche Dir auch gute Besserung und werde Deinen tollen Blog weiterhin mitverfolgen! ;)

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  3. Du schreibst:
    Ist die Beziehung Schuld?
    Es gibt Fälle von ROCD, in denen die Ängst und Gedanken direkt zu Beginn jeder Beziehung auftauchen. Da ist es natürlich schwieriger zu unterscheiden, ob man an der Beziehung in bestimmten Bereichen arbeiten sollte oder nicht.

    Wie meinst Du das genau?

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  4. Sehr toller Beitrag. Bin drauf gestoßen, weil mich ähnliche Zwangsgedanken heimsuchen. Ich habe in meiner Kindheit unter ambivalenten Beziehungen zu den Bezugspersonen gelitten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich an einer Form von ROCD leide, allerdings verspüre ich nicht die Angst davor, meinen Partner nicht mehr zu lieben, sondern ich leide oft unter dem Zwang, die Beziehung zu beenden, weil ich große Angst davor habe, verletzt zu werden (obwohl ich eigentlich schon den Worst-Case lebe in solchen Momenten...).

    Vielleicht kannst du mir dazu deine Meinung schreiben, würde mich sehr freuen.

    Liebe Grüße!

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    1. Ohja genau dasselbe Problem habe ich auch. Ständig will ich’s einfach nur beenden oder erfinde irgendwelche Gründe wieso ich es beenden sollte. Teilweise warte ich auf den Moment bis er die Nase voll hat und gleichzeitig hoffe ich es auch nicht. Es ist so kräftezehrend und traurig einfach.

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